Der Schatten den wir in der Sonne werfen, entzieht sich geschickt nach dem Möhren-Esel-Prinzip unserer Kontrolle. Wir mögen uns drehen, hinlegen, kopfstellen, er wird doch immer in die Richtung schauen, die ihm die Sonne weist. Uns bleibt nichts, als hinter ihm her oder vor ihm wegzulaufen.
»Aber was, wenn wir doch einmal von uns verlangen, über den eigenen Schatten zu springen?«
Dann geh' einfach abends auf die Strasse, wenn es dunkel ist und still. Unter einer Laterne sieht die Situation nämlich ganz anders aus.
Such Dir eine von diesen schönen, alten Strassenlampen. Eine mit sehr gelbem, fast goldenem Licht ist schön, aber andere Farben tun es auch. Nur blau nicht, denn das leuchtet hässlich.
Geh' dann ganz langsam in einigen Metern Abstand an ihr vorbei. Wenn Du dabei vorsichtig über Deine Schulter blickst, wirst Du sehen, wie Dein Schatten Dir nachschleicht. Schritt für Schritt holt er auf.
Jetzt ist das Timing wichtig. Du musst Dich gut konzentrieren.
Wenn ihm nur noch ein ganz kleines Stückchen fehlt ... wenn er neben Dir stünde, gingest Du noch einen einzigen Schritt, dann ist der richtige Augenblick. Du drehst Dich um, so dass Du dorthin blickst woher Du kamst und sprichst ihn an, weist mit dem Finger in diese Richtung und sagst etwas wie:
»Guck mal, dort drüben, ist das nicht der Schatten der hübschen Nachbarin den Du so magst?!«
Daraufhin muss alles ganz schnell gehen, denn Schatten sind äusserst flink. Sobald er für einen Moment seine Augen von Dir abwendet, um Deinem Hinweis nachzugehen, schliesst Du die deinen und machst einen gewaltigen Rückwärtssprung. Spring so gut Du kannst aber falle nicht. Das Überaschungsmoment ist entscheidender als die Weite.
Falls alles geklappt hat, wirst Du feststellen, dass Dein Schatten nicht mehr vor Dir, sondern nunmehr hinter Dir liegt. Nicht sehr weit, weil Menschen ja aus dem Stand keine grossen Sprünge zu machen vermögen, schon gar nicht rückwärts nach vorn. Aber immerhin drüber.