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noelscheich
Fr., 12 Sep. 2003 04:27:00 +0200
Internet gibt es. Auch auf den Philippinen muss man nicht lange nach einem Internetcafe suchen. Aber wozu ? Das Land verändert den Blick auf die digitale Seifenblase die sich selbst am Leben erhält, die uns bereits so umschlossen hat, dass wir alles was sich ausserhalb befindet als rückständig wahrnehmen. Prioritäten veschieben sich. Der Alltag tickt entgegen dem Uhrzeigersinn ohne falsch zu gehen.
Obgleich Deutschland nur knapp zwei Wochen weit weg ist, mutet die Berichterstattung der Deutschen Welle von der Ars Electronica kurios an.
Ohne kalte Tage, ohne ebenso sterile wie problemlose Verfügbarkeit der Antworten auf jedwede Bedürfnisse, ohne selbstverordnete Hektik in der DSLangeweile, wird der Rhythmus hier noch merklich von äusseren Gegebenheiten beeinflusst. Wenn es regnet schwimmt das Haus weg, vielleicht wird man aber auch nur nass. Wer kann das schon wissen. Brennt die Sonne, versinkt die Stadt im Smog. Hat der Taxifahrer partout keinen einzigen Centavo Wechselgeld, fährt man mit ihm eben auf eigene Kosten zur nächsten Tankstelle. Höhere Gewalt. Ist die Strasse gerade überschwemmt, der Strom oder das Wasser ausgefallen, die Mall ohne Vorankündigung geschlossen, geht dem Sammeltaxi das Benzin aus ... man lächelt, zuckt mit den Achseln. Dann eben nicht.
Im Gegenteil. Die Menschen scheinen sogar zu versuchen, widrige Umstände absichtlich zu übertreffen. Der Kampf wird nicht geführt, indem das Tempo beständig erhöht wird, man Vorkehrungen trifft, sich mit dem Schicksal anlegt. Gott, Natur und Armbanduhr sollen merken, dass man seine Unterlegenheit erkannt hat und die Herausforderung nicht annimmt. Der Konflikt wird vermieden, sogar noch was oben drauf gelegt. Vielleicht ein "kommt-nicht-drauf-an"-Bonus, vielleicht die katholische andere Backe.
Als gelte es, die sturmbedingte Verspätung der Fähre mit ihren eigenen Waffen zu schlagen, begibt sich der Skipper just wenn das Boot dann endlich doch ablegen kann, auf eine äusserst wichtige Mission in den Gemischtwarenladen seines Vertrauens.
Auch der erdrückenden Westlichkeit der riesigen Shopping malls begegnet man auf ganz hiesige Art. So nahe es läge, ungeduldige Geschäftigkeit kommt selbst hier nicht auf. Zwei bis fünf Verkäuferinnen pro Kasse teilen sich die Arbeit, schweigend und mit trotz fast übermenschlicher Ruhe ungeschickter Hand. Es wird eingetippt, vertippt, der Fehler gesucht, gefunden, verkorrigiert, 1000 minus 350 mit dem Taschenrechner kalkuliert, richtig korrigiert, weitergereicht, verpackt, wieder ausgepackt, in eine grössere Tüte umgestaut, diese zugeklebt, der Kassenbon vergessen und dann zusätzlich angeheftet, eine Tüte überreicht, die Zweite vergessen, verabschiedet, bedankt und gelächelt, die übersehene Tüte mitten auf dem Tresen entdeckt und ausgehändigt. Der Nächste bitte.
Cue-hopping gehört zum Einkaufen wie der Knoblauch in den potentiell vorzüglichen Garlic rice.
Ich mag es hier.
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the frank, 12.09.03, 10:40
freut mich, Sie in solchermaßen gelassener stimmung zu wissen, nach einem eher - wenn auch auf dezente weise - verbitterten posting vor Ihrer abreise. der wirklich spannende punkt ist natürlich der (ich sage dies doof, weil in hast): was geschieht, wenn solche "exotik" zum alltag wird, die reibungen dann einsetzen zwischen "fremde" und dem "eigenen" kulturellen selbstverständnis etc. - die eigene wohlwollende milde mit allem allmählich erloschen ist. der umstand, dass DIE beim bezahlen fünf minuten brauchen, dass DIE es einfach nicht - jetzt kommt das BÖSE wort - EFFIZIENT hinbekommen. man dann dazu neigt, das "andere" nur noch in seiner "defizienten" differenz zum eigenen (allenfalls noch) zu ertragen etc. ich muß leider gestehen, dass es in den jahren, die ich beruflich in afrika oder lateinamerika gelebt habe häufig so ergangen ist.
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noelscheich, 12.09.03, 12:00
Ja, das sind auch meine Gedanken.
Heute wurde das Visum ueber die touristisch verplanten ersten 21 Tage hinaus verlaengert, fuer den alltaeglicheren, durch Arbeit gepraegten Teil meines Aufenthaltes, und ich erwarte in der Tat bereits mit neugierigem und natuerlich auch leicht bangem Interesse die eigene Reaktion auf die so grundlegend veraenderten Lebensumstaende. Wie lange werde ich meine Westlichkeit zuegeln koennen, mit angelesenen guten Vorsaetzen a la "Immer laecheln! Das Gegenueber nicht das Gesicht verlieren lassen! Nach aussen getragener Aerger, selbst wenn berechtigt, zementiert das Problem, statt es freizulegen." etc.
Wovor ich mich im Ausland regelmaessig fuerchte, ist die Gefahr, sich automatisch mit seinesgleichen zusammenzutun, weil es leicht ist, in die kulturelle Oase einzuziehen.
Auch wenn ich diesen Effekt bisher, wie ich fand, gering halten konnte, hatte ich jedoch jedesmal das Gefuehl, dass dies einer schwer einzuschaetzenden Anstrengung bedurfte. Dies erwarte ich umso mehr in einem Land, in dem man per Hautfarbe als reich gilt und tatsaechlich fuer den Preis einer Briefmarke mit dem Taxi durch die ganze Stadt faehrt, waehrend sich die einheimischen Kollegen dies nicht taeglich mehrfach leisten koennten.
Hinzu kommt die traditionell stark ausgepraegte Klassierung der Gesellschaft sowie eine kulturell verwurzelte Zurueckhaltung.
Schoen (sic!) verwirrend wird es, wenn dann diese Buchweisheiten von der Praxis mal bestaetigt, mal auf den Kopf gestellt werden.
Also legt man den Kulturfuehrer ins Regal, wo er hingehoert und hofft auf die soft skills, die hat man ja im CV so betont. Glueck darf man doch nicht reinschreiben.
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by noelscheich (28.01.08, 01:41)
sie haben da eine
astreine serie hingelegt, zum sattschaun.
by don papp (30.10.07, 19:35)
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